PROTESTERKLÄRUNG

PROTESTERKLÄRUNG ANLÄSSLICH DER POLIZEIRAZZIA IM ANTIFASCHISTISCHEN JUGENDLAGER IN KÄRNTEN (ÖSTERREICH)
Ljubljana, Wien, Klagenfurt 30. 7. 2025

Der Slowenische PEN-Club,
der Österreichische PEN-Club und
der Verband slowenischer Schriftsteller*innen in Österreich

verurteilen die Polizeirazzia bzw. den Angriff auf das antifaschistische Jugendlager bei Peršman in Kärnten (Österreich) auf das Schärfste.

Mit großer Besorgnis und Empörung verfolgen wir die Berichte über den jüngsten brutalen Polizeieinsatz gegen das antifaschistische Jugendlager bei Peršman, das dem Gedenken an den Widerstand im Zweiten Weltkrieg, der Demokratie und dem interkulturellen Dialog gewidmet ist.

Solche Handlungen stellen eine unzulässige Bedrohung grundlegender Menschenrechte dar – insbesondere der Meinungsfreiheit, der Versammlungsfreiheit und des historischen Gedenkens. Dies gilt umso mehr, wenn sie sich gegen junge Menschen richten, die sich für Frieden, Solidarität und Antifaschismus einsetzen.

Der ehemalige Bauernhof und heutige Gedenkort Peršman – ein Symbol der tragischen nationalsozialistischen Repression gegenüber der slowenischen Minderheit in Österreich – ist ein Ort, der Respekt verdient, nicht Gewalt. Den Angriff auf eine Versammlung junger Menschen, die das historische Gedächtnis bewahren und an einer gerechteren Zukunft arbeiten wollen, betrachten wir als verwerflichen Akt des Hasses – und zwar von offizieller staatlicher Seite –, der weder verharmlost noch relativiert werden darf.

Der PEN als internationale Autorenorganisation, die sich der Freiheit des Wortes, der Kultur und des Denkens verschrieben hat, erklärt sich solidarisch mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Lagers, dem Organisator und allen, die sich gegen das Wiedererstarken rechtsextremer Ideologien stellen.

Wir weisen darauf hin, dass solche Angriffe stets mehr sind als nur einzelne Vorfälle – sie sind Symptome umfassender gesellschaftlicher Entwicklungen, die demokratische Werte, Pluralismus und das friedliche Zusammenleben bedrohen.

Wir fordern von den österreichischen Behörden eine gründliche Untersuchung des Vorfalls, eine unmissverständliche öffentliche Verurteilung der Täter sowie Maßnahmen zum Schutz von Minderheiten und erinnerungspolitischen Praktiken, die auf Wahrheit, historischer Verantwortung und internationalem Miteinander beruhen.

Österreich hätte längst konsequent den Artikel 7 des Staatsvertrags zur Wiederherstellung eines unabhängigen und demokratischen Österreichs umsetzen müssen und der slowenischen Minderheit Bildung sowie alle Verwaltungsverfahren in slowenischer Sprache garantieren sollen.

Sprachliche Rechte sind grundlegende Menschenrechte.

Der PEN-Club wird auch in Zukunft unbeirrt auf der Seite des verbindenden Wortes stehen und sich gegen jede Form von Gewalt, Einschüchterung und Geschichtsrevisionismus einsetzen.

Tanja Tuma
Slowenischer PEN-Club

Dr. Marion Wisinger
Österreichischer PEN-Club

Mag. Amina Majetić
Verband slowenischer Schriftsteller*innen in Österreich

Klarstellung statt Vernebelung

Das Wort “Umvolkung” fällt im Parlament. Wie ist das zu verstehen? Und kann es überhaupt zurückgenommen werden? Hier eine Klarstellung.
Der Österreichische PEN-Club ist gemeinsam mit der IG Autorinnen Autoren, der GAV und dem Österreichischen SchriftstellerInnenverband Initiator der Plattform Der Wert der Demokratie.

Warnruf


Die letzten Reste politischer Glaubwürdigkeit gehen verloren

Die Weichen sind gestellt. Die ÖVP hat sich nach den vergeblichen Bemühungen um eine Dreierkoalition ohne FPÖ der FPÖ als Koalitionspartnerin angeboten, die FPÖ hat dieses Angebot gerne angenommen.

Wir warnen ausdrücklich vor dieser Koalition von „Partnern”, die den Wählerinnen und Wählern zu verstehen gegeben haben, dass sie nur Verachtung füreinander übrig haben. Wir warnen ausdrücklich vor dem Verlust auch noch des letzten Vertrauens, das Wählerinnen und Wähler haben können, dass diejenigen, die gemeinsam eine Regierung bilden wollen, Respekt füreinander und für ihre Aufgabe aufbringen und zu einem loyalen Umgang mit ihren Aufgaben imstande sind. Insbesondere, was das Verhältnis von Regierungsparteien zu den Grundwerten der Demokratie und zu den Grundrechten betrifft. Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben, wenn nur der Wille zu regieren und mitzuregieren die Verachtung füreinander überstehen hilft und wenn man, wie bei der FPÖ, den Erfolg darauf aufbaut, jeden demokratischen Grundkonsens zu brechen.

Es hätte nach dem Wahlergebnis zahlreiche Entschuldigungen geben müssen, es hat aber nur derjenige, der die anderen am meisten beschimpft hat, angeboten, die „Hand auszustrecken”, also ihnen quasi zu verzeihen, dass er sie beschimpft hat. Es ist leider auch nicht dazu gekommen, dass diese Entschuldigungen öffentlich eingefordert wurden. Kann es sein, dass diejenigen in der Politik, die jetzt verhandeln wollen, ihre Aufgabe nicht ernst genug nehmen oder zu etwas anderem missbrauchen?

Es ist schon unerträglich genug, wenn Wahlversprechen sehr oft nicht mehr als leere Versprechen bleiben, es ist aber nicht mehr hinzunehmen, dass sich nun Politiker:innen als „Partner“ präsentieren, die den Vertretern der Gegenseite bis vor kurzem noch jede Glaubwürdigkeit abgesprochen haben. Entweder, das alles war gelogen oder aber es wurde den Wählerinnen und Wählern nur etwas vorgemacht. In beiden Fällen lässt sich daraus kein Auftrag des Wählers bzw. der Wählerin zur Bildung einer gemeinsamen Regierung ableiten, und wenn die FPÖ nun angekündigt hat, Vertrauen in die ÖVP „investieren“ zu wollen, so drängt sich die Frage auf, welche Vorstellung von politischer Kultur und vom Handwerk des Regierens hinter einem solchem Sprachgebrauch steht. Die Politik als Wertanlage, als schnelles Geschäft, als Spekulation mit der Zukunft des Landes?

Wer soll den Verhandler:innen auf der Seite der FPÖ den Willen zur Zusammenarbeit glauben, die den Verhandler:innen auf der Seite der ÖVP „Verbrechen“ vorwirft und „Staatsgefährdung“? Wer soll den Verhandler:innen auf der Seite der ÖVP den Willen zur Zusammenarbeit abnehmen, die in der FPÖ „Verschwörungstheorien“ und „Rechtsextremismus“ verorten? Wer soll glauben, dass die Verhandler:innen dieser beiden Parteien Gemeinsamkeiten haben, wenn ihnen jede Überzeugung von der Richtigkeit der Haltungen ihres Gegenübers abgeht? Und was sollen Wählerinnen und Wählern der Politik insgesamt noch glauben, wenn es diese zur Schau getragenen, von beiden Seiten ständig beschworenen Gegensätze, die das Wahlergebnis maßgeblich beeinflusst haben, schließlich gar nicht gibt? Wem sollen sie in einer solchen Regierung glauben und wie können sie glauben, dass von den Vereinbarungen einer solchen Regierung irgendetwas stimmt und hält, wenn Prinzipien, die gestern noch als unumstößlich galten, heute eilfertig über Bord geworfen werden, wenn das, was gestern noch eine erbitterte Gegnerschaft war, heute plötzlich zur „interessanten gemeinsamen Vergangenheit“ erklärt wird, wie Herbert Kickl dies in seiner Pressekonferenz am 7. Jänner 2025 mit Blick auf sein Gegenüber in der ÖVP, Christian Stocker, getan hat?

Eine solche Situation spielt nur denjenigen in die Hände, die an einer über die bereits bestehende Zerrüttung demokratischer Politik und  Verhältnisse hinausgehenden dauerhaften Ausschaltung demokratischer Prozesse und Institutionen interessiert sind.

Das Mindeste, das für die Verhandler:innen in dieser Ausgangslage geboten wäre: Es dürfte niemand von denen, die für die Zerrüttung der Verhältnisse im Umgang miteinander Verantwortung tragen, in Verhandlungen eintreten und einer etwaigen Regierung angehören, die unter der erklärten Devise „Österreich ehrlich regieren” ihre Arbeit aufnimmt, es dürften diesen Verhandlungsrunden wie auch einer späteren Regierung nur Personen angehören, die von all diesen gegenseitigen Anschuldigungen und Beleidigungen unbelastet sind. Es bleibt auch dann noch Unvereinbares genug.

Es bleibt vor allem die Unvereinbarkeit von demokratischen Grundsätzen mit rechtsextremen Handlungen, Haltungen und Zielsetzungen, die nicht plötzlich deshalb aufhört zu bestehen, weil sich die eine Verhandlerseite, die ÖVP, dazu entschlossen hat, mit der anderen Verhandlerseite, der für rechtsextreme Inhalte stets offenen FPÖ, Verhandlungen aufzunehmen, um ihr Juniorpartner in der Regierung zu werden.

Gerhard Ruiss, Christian Teissl, Marion Wisinger, jopa jotakin

Plattform Der Wert der Demokratie https://wert-der-demokratie.at

Österreichischer PEN Club
Grazer Autorinnen Autorenversammlung
Österreichischer Schriftsteller/innenverband
IG Autorinnen Autoren
(Wien, 9.1.2025)

Zum Jahreswechsel

“2024 war ein Nach-den-Katastrophen-Jahr. Die Unruhe nach dem Sturm. Mehr ein Jahr der Wirkungen als eine der Ursachen. Mir steckt ein verrücktes Angstschmerzwut-Jahrzehnt in den Knochen. Sogar im Keller ist mir das Lachen vergangen.” Unser Mitglied Thomas Andreas Beck hat einen couragierten und klugen Text geschrieben.
Der Standard