STATEMENT

Gesinnungsprüfungen als Grundkriterium für künstlerische Arbeitsberechtigungen
Zur Ausladung des israelischen Dirigenten Lahav Shani durch das belgische Vlaanders Festival Ghent

Es ist nur noch verantwortungslos, wie sich Kulturveranstalter immer mehr zu Sittenwächtern der richtigen Gesinnung von Künstlerinnen und Künstlern aufschwingen und die Berechtigung zur Ausübung der künstlerischen Tätigkeit unter den Vorbehalt von Gesinnungserklärungen der bei ihnen auftretenden Künstlerinnen und Künstler stellen.
Mit der Ausladung des israelischen Dirigenten Lahav Shani und der Münchner Philharmoniker vom belgischen Vlaanders Festival Ghent hat diese Haltung zu ihrem neuesten, bisher nicht für möglich gehaltenen Tiefpunkt gefunden.
Es genügt nicht mehr, wenn ein Künstler wie Lahav Shani sich für Frieden und Aussöhnung einsetzt, er soll nur dann auftreten können und ohne Einspruch seiner künstlerischen Arbeit nachgehen dürfen, wenn er sich dem Willen des Veranstalters entsprechend politisch positioniert und die künstlerischen Verbindungen zu seiner ursprünglichen Heimat aufgibt.
Das belgische Vlaanders Festival Ghent tritt damit die Europäische Verfassung mit Füßen. Und das Festival demonstriert das sogar noch. Zusätzlich zeigt es, wie schnell man vor Drohgebärden in die Knie gehen kann, da diese Ausladung angeblich auch durch Androhungen der Störung des Festivals zustande kam.
Wovon das belgische Vlaanders Festival Ghent und andere sich auf diese Weise exponierende Kulturveranstalter nichts wissen wollen, ist: Meinungsfreiheit bedeutet genauso, sich frei und ohne Angst vor Verfolgung äußern zu können, als auch, nicht dazu gezwungen werden zu können, sich äußern zu müssen, und schon gar nicht auf eine vorgeschriebene Weise. Es ist ein generelles Recht des Menschen, sich einer Äußerung oder Aussage zu entschlagen. Bekenntniszwang existiert nur in autoritären und totalitären Gesellschaften.
Das Vlaanders Festival Ghent und andere sich auf diese Weise exponierende Kulturveranstalter können sich jederzeit selbst wogegen oder wofür aussprechen, sie sind aber nicht berechtigt, Künstlerinnen und Künstler, die bei ihnen auftreten, dazu zu zwingen, sich zu ihren Sprachrohren zu machen.
Zu Recht werden Gesinnungsüberprüfungen, die sich nationalistische Parteien in ihren Äußerungen und Programmen als Kriterium für die Förderungswürdigkeit von Künstlerinnen und Künstlern wünschen, kritisiert, sie können und dürfen nicht zum Kriterium für das Recht auf Ausübung der Kunst unter demokratischen Verhältnissen werden.
Diese Form der Auseinandersetzung mit Unrecht ist – wie das soeben das Vlaanders Festival Ghent demonstriert und es sich in der jüngsten Vergangenheit bei anderen kulturellen Großereignissen gezeigt hat – von einem auf das nächste Kulturereignis übertragbar, sie findet dementsprechend bereits rund um den kommenden Song-Contest in Wien statt.
Es ist Zeit, gegen jede Instrumentierung und Funktionalisierung von Künstlerinnen und Künstlern aufzutreten, sowohl solcher im Sinne von Regierungen als auch solcher, die gegen Regierungen gerichtet sind. Die Freiheit der Kunst, die in der Charta der Europäischen Union garantiert ist, richtet sich genau gegen derartige Vereinnahmungen, und sie garantiert der Kunst ebenso die Freiheit, sich im eigenen Ermessen zu engagieren, wie sie sie vor Missbrauch und Propaganda schützt.
Es ist Zeit, die Stellvertreterauseinandersetzungen zu beenden, der Adressat von Gegenmaßnahmen gegen die Politik der israelischen Regierung ist die israelische Regierung, das Mittel gegen eine falsche Politik sind gegen diese Politik gerichtete politische Maßnahmen.

Gerhard Ruiss, Renate Welsh, Werner Richter, Marion Wisinger,
Doron Rabinovici, Jopa Jotakin, Christian Teissl

IG Autorinnen Autoren
Literaturübersetzen Österreich
Österreichischer PEN Club
Grazer Autorinnen Autorenversammlung
Österreichischer Schriftsteller/innenverband

Wien, 15.9.2025

Zum Tag der Demokratie, 15.9.2025

Sprechen über den Frieden

Kriegsrhetorik bleibt nicht ohne Folgen

Anlässlich des Internationalen Tages der Demokratie verweist die Plattform Der Wert der Demokratie auf die Bedeutung starker Demokratien für den Frieden. Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte, internationale Zusammenarbeit und gewaltfreie Konfliktlösungen sichern ihn. Politische Kräfte, die Krieg und unkontrollierte Aufrüstung befürworten, verfügen über keine Mehrheiten in demokratischen Staaten. Die Fortsetzung des Angriffskrieges der Putin-Regierung Russlands auf die Ukraine, Cyberangriffe und Desinformationskampagnen in Europa, die Drohgebärden Chinas mit zuletzt seiner bisher größten Militärparade, die Umbenennung des Verteidigungsministeriums der USA in „Kriegsministerium“, das Vorgehen der Netanjahu-Regierung Israels im Gaza-Streifen und zuletzt die Drohnenüberflüge auf NATO-Gebiet beginnen jedoch diese Voraussetzungen zu ändern.

Kriegsrhetorik tritt an die Stelle politischer Analysen, Bedrohungsszenarien kursieren und militärische Kampfbegriffe werden zur sprachlichen Normalität. Kriegerische Metaphern erzeugen Ängste, potenzieren Feindbilder und lassen letztendlich Kriege als alternativlos erscheinen. Durch Feststellungen wie „Wir befinden uns im Krieg“, „wir sind übermorgen dran“ oder „Europa wird siegen“ werden Stimmungen aufgebaut, die politische und diplomatische Bemühungen von vornherein als Zeichen der Schwäche und Versagen darstellen. Wenn Politiker/innen, Expert/inn/en, Medien und Influencer/innen‚ vorwiegend in den Kategorien des Kriegs, „Kampf“, „Feind“, „Sieg“ und„Niederlage“ sprechen, schaffen sie ein Klima der Ausweglosigkeit, wie wir es aus der europäischen Geschichte und den fatalen Folgen daraus kennen. Die Aufrüstung der Sprache zur Abschreckung betreibt zugleich die Einstimmung auf ein kommendes mögliches oder auch bereits vorbereitetes reales Kampfgeschehen. Die Plattform Der Wert der Demokratieruft alle politisch Verantwortlichen dazu auf, sich der Kriegsrhetorik und der Kriegslogik nicht zu bedienen, sondern, wo immer es ihnen möglich ist, sich für eine Welt ohne die Unausweichlichkeit von Kriegen einzusetzen und Friedensbemühungen auf allen Ebenen zu unterstützten.

Die literarischen Verbände Österreichs, Deutschlands, der Schweiz und Südtirols haben sich 2024 zu einer Plattform zusammengeschlossen, um sich gegen Diskreditierungen der Demokratie durch Verleumdung, Hetze, Lüge oder Täuschung zu wenden. Gegründet wurde die Plattform von der IG Autorinnen Autoren, dem Österreichischen PEN Club, der Grazer Autorinnen Autoren­versammlung und vom Österreichischen Schriftsteller/innenverband. https://wert-der-demokratie.at/start

Gerhard Ruiss, IG Autorinnen Autoren
Marion Wisinger, Österreichischer PEN-Club
Jopa Jotakin, Grazer Autorinnen Autorenversammlung

Wien, 15.9.202

Theodor Kramer Preis 2025

Hellmut Butterweck wurde am Freitag, den 12.09.2025  mit dem Theodor Kramer Preis für Schreiben im Widerstand und Exil ausgezeichnet. 
Hier die Laudatio von Robert Streibel und die Dankesrede von Hellmut als youtube Video.
Preisbegründung
Hellmut Butterweck
„Meine Phantasie sei ein Hund an der Leine der Wirklichkeit.“
Hellmut Butterweck, Journalist, Forscher, Autor.
Prof. Hellmut Butterweck hat als Journalist die österreichische Nachkriegsgeschichte seit 1948 erlebt und kommentiert. Als Theater-, Kunstkritiker und als Rezensent war er durch Jahrzehnte in der Wochenzeitung Die Furche tätig. Der Weg zum Journalismus war nicht vorgezeichnet, denn nach dem Hinauswurf aus der Schule 1944 wurde er für die deutsche Rüstungsindustrie zwangsrekrutiert und während des Krieges zum Regimegegner. Statt die Schule zu besuchen, hat er gelesen, seine Schule waren Bücher. Er wurde 1948 Journalist, schrieb für zahlreiche Medien, vor allem für Die Furche, Kritiken, Glossen, Satiren, Reportagen und Essays zu verschiedenen Themen, zeitgeschichtliche Beiträge sowie zahlreiche Stellungnahmen gegen antidemokratische, antisemitische und neonazistische Tendenzen. Hellmut Butterweck ist bis heute auch im hohen Alter ein streitbarer Journalist, der, wenn es nötig war, nicht nur gegen Unrecht angeschrieben hat, sondern auch politisch aktiv geworden ist. So hat er 1964 die Demonstration gegen das Franz Murer-Urteil und dessen Freispruch in Wien organisiert.
Sein Hörspiel Das Wunder von Wien wurde 1967 vom NDR und 1978 von Ö1 gesendet, ins Hebräische und Russische übersetzt und als Theaterstück im Malersaal und in den Kammerspielen des Theaters in der Josefstadt 1982 uraufgeführt.
Seine Forschungen über die Volksgerichtsprozesse anhand der Presseberichte und Akten mit zwei Publikationen waren eine Pionierleistung und haben der Zeitgeschichte neue Impulse gegeben. Unter anderem veröffentlichte er: Verurteilt und begnadigt. Österreich und seine NS-Straftäter (2003), Der Nürnberger Prozess. Eine Entmystifizierung (2005), Nationalsozialisten vor dem Volksgericht Wien. Österreichs Ringen um Gerechtigkeit 1945–1955 in der zeitgenössischen öffentlichen Wahrnehmung (2016), den Roman Tote im Verhör (2008), und zuletzt: Der Ungeist der Stunde Null – Wie Österreich säte, was es heute hat (2025).

Continue reading “Theodor Kramer Preis 2025”

PROTESTERKLÄRUNG

PROTESTERKLÄRUNG ANLÄSSLICH DER POLIZEIRAZZIA IM ANTIFASCHISTISCHEN JUGENDLAGER IN KÄRNTEN (ÖSTERREICH)
Ljubljana, Wien, Klagenfurt 30. 7. 2025

Der Slowenische PEN-Club,
der Österreichische PEN-Club und
der Verband slowenischer Schriftsteller*innen in Österreich

verurteilen die Polizeirazzia bzw. den Angriff auf das antifaschistische Jugendlager bei Peršman in Kärnten (Österreich) auf das Schärfste.

Mit großer Besorgnis und Empörung verfolgen wir die Berichte über den jüngsten brutalen Polizeieinsatz gegen das antifaschistische Jugendlager bei Peršman, das dem Gedenken an den Widerstand im Zweiten Weltkrieg, der Demokratie und dem interkulturellen Dialog gewidmet ist.

Solche Handlungen stellen eine unzulässige Bedrohung grundlegender Menschenrechte dar – insbesondere der Meinungsfreiheit, der Versammlungsfreiheit und des historischen Gedenkens. Dies gilt umso mehr, wenn sie sich gegen junge Menschen richten, die sich für Frieden, Solidarität und Antifaschismus einsetzen.

Der ehemalige Bauernhof und heutige Gedenkort Peršman – ein Symbol der tragischen nationalsozialistischen Repression gegenüber der slowenischen Minderheit in Österreich – ist ein Ort, der Respekt verdient, nicht Gewalt. Den Angriff auf eine Versammlung junger Menschen, die das historische Gedächtnis bewahren und an einer gerechteren Zukunft arbeiten wollen, betrachten wir als verwerflichen Akt des Hasses – und zwar von offizieller staatlicher Seite –, der weder verharmlost noch relativiert werden darf.

Der PEN als internationale Autorenorganisation, die sich der Freiheit des Wortes, der Kultur und des Denkens verschrieben hat, erklärt sich solidarisch mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Lagers, dem Organisator und allen, die sich gegen das Wiedererstarken rechtsextremer Ideologien stellen.

Wir weisen darauf hin, dass solche Angriffe stets mehr sind als nur einzelne Vorfälle – sie sind Symptome umfassender gesellschaftlicher Entwicklungen, die demokratische Werte, Pluralismus und das friedliche Zusammenleben bedrohen.

Wir fordern von den österreichischen Behörden eine gründliche Untersuchung des Vorfalls, eine unmissverständliche öffentliche Verurteilung der Täter sowie Maßnahmen zum Schutz von Minderheiten und erinnerungspolitischen Praktiken, die auf Wahrheit, historischer Verantwortung und internationalem Miteinander beruhen.

Österreich hätte längst konsequent den Artikel 7 des Staatsvertrags zur Wiederherstellung eines unabhängigen und demokratischen Österreichs umsetzen müssen und der slowenischen Minderheit Bildung sowie alle Verwaltungsverfahren in slowenischer Sprache garantieren sollen.

Sprachliche Rechte sind grundlegende Menschenrechte.

Der PEN-Club wird auch in Zukunft unbeirrt auf der Seite des verbindenden Wortes stehen und sich gegen jede Form von Gewalt, Einschüchterung und Geschichtsrevisionismus einsetzen.

Tanja Tuma
Slowenischer PEN-Club

Dr. Marion Wisinger
Österreichischer PEN-Club

Mag. Amina Majetić
Verband slowenischer Schriftsteller*innen in Österreich

Klarstellung statt Vernebelung

Das Wort “Umvolkung” fällt im Parlament. Wie ist das zu verstehen? Und kann es überhaupt zurückgenommen werden? Hier eine Klarstellung.
Der Österreichische PEN-Club ist gemeinsam mit der IG Autorinnen Autoren, der GAV und dem Österreichischen SchriftstellerInnenverband Initiator der Plattform Der Wert der Demokratie.