NACHRUF

In großer Trauer um Ilse Tielsch (20. 3. 1929 – 21. 2. 2023)

Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit ist vor wenigen Tagen eine der stillen Großen der österreichischen Literatur von uns gegangen. Ilse Tielsch war eine der wichtigsten Vertreterinnen der Literatur des osteuropäischen deutschsprachigen Raums nach 1945, den es in vielen Fällen nur noch als literarischen Ort gab. Diesen Raum literarisch zu bewahren, darin war sie eine Meisterin.

Hinter ihr liegt ein außergewöhnliches literarisches Leben, 1970 mit Wilhelm Szabo, Alfred Gesswein und Alois Vogel als Mitbegründerin des damals avantgardistischen Literaturkreises Podium, der mit Straßenlesungen und Lesungen auf Märkten die Literatur aus den Innenräumen in den öffentlichen Raum brachte, in den darauffolgenden Jahren als höchst erfolgreiche, vielfach ausgezeichnete Schriftstellerin und durch die Neuausgaben ihrer bedeutenden Romane zwischen 2018 und 2020 in der Wiener Edition Atelier noch einmal zurück in der literarischen Öffentlichkeit. Sie hat mehr als ein halbes Jahrhundert im literarischen Leben Österreichs zugebracht, in einem der Völkerverständigung und dem Frieden gewidmeten Leben. Ilse Tielsch ist mit ihrem ganzen Werk dafür eingetreten und mit ihrer ganzen Person. Sie war war Mitglied des Literaturkreises Podium, Ehrenmitglied des Österreichischen Schriftsteller/innenverbandes, langjähriges engagiertes Mitglied des Österreichischen PEN-Club und der IG Autorinnen Autoren. Es war ihr bis zuletzt ein wichtiges Anliegen, dass ihre stets unbeirrbare, feste Stimme nicht erlischt. Ihr Werk, das sie hinterlassen hat, war und bleibt die Garantie dafür.
Wir trauern mit den Hinterbliebenen um sie.

Gerhard Ruiss, IG Autorinnen Autoren
Nils Jensen, Podium
Christian Teissl, Österreichischer Schriftsteller/innenverband
Helmuth A. Niederle, Österreichischer PEN-Club

Wien, 25. 2. 2023

DAS GRAUENHAFTE BEDENKEN!

Peter Paul Wiplinger
Gedanken zum Holocaust-Gedenktag am 27. Jänner 2023

Wie kann man ein solches Gedenken gestalten, wie kann man das machen: der Millionen Toten, der Ermordeten, jedes menschlichen, nein: jedes un-menschlichen Einzelschicksals gedenken, ohne daß dieses Wie-auch-immer-Gedenken ins Plattitüdenhafte abgleitet oder abstürzt? Wie und vor allem warum sollte es ein solches Gedenken geben, wie lange noch, von wem für wen auch immer; und welchen Sinn sollte ein solches Holocaust-Gedenken haben? Und schließlich: Ist ein solches Gedenken, ein Bedenken des Grauenhaften und des Zusammenbruchs jeder menschlichen Zivilisation, verbunden mit unermeßlichem Leid und der Aufgabe letzter menschlicher Würde und Humanität überhaupt möglich? Es steht die Frage vor uns: Kann man ein Denken, ein Bedenken, ein Gedenken in diesem Zusammenhang überhaupt leisten, eines, das den Tätern wie den Opfern, das der Maßstablosigkeit solcher Ereignisse wenn schon nicht gerecht werden so doch zumindest ansatzweise entsprechen kann? Fragen über Fragen, die einen beim Bedenken sogleich in einen Gedankenwirbel hineinziehen, der uns mitreißt; und an dessen Ende möglicherweise die Resignation steht.

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