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Aus gegebenem Anlass
Der Österreichische PEN-Club ist über das Attentat auf Salman Rushdie zutiefst bestürzt. Seit dem 14. Februar 1989 ist das Leben von Salman Rushdie bedroht. Damals rief der iranische Revolutionsführer Khomeini in einer Fatwa alle Muslime der Welt auf, den Autor wegen seines als blasphemisch erachteten Romans „Die satanischen Verse“ zu töten. Auf mehrere Übersetzer und Verleger wurden Attentate verübt.
Um der Fatwa die Flügel zu verleihen, dass sich Attentäter bereitfinden, die Tötung im Namen ihres Gottes zu vollziehen, wurde von verschiedenen Organisationen ein Kopfgeld auf Rushdie ausgesetzt. Dass sich die Regierung des Iran unter Präsident Khatami von der Fatwa im Jahr 1998 distanziert hatte, sei nur am Rande erwähnt. Für die Attentäter ist das völlig bedeutungslos. 2016 erhöhten vierzig staatliche iranische Medien das Kopfgeld um 600.000 Dollar auf insgesamt 4 Millionen Dollar. Noch ist nicht bekannt, wer der Attentäter ist, der Salman Rushdie am 12. August 2022 im Bundesstaat New York niederstach. In jedem Fall war es die jahrzehntelange Hetze, die Rushdie zeitlebens zum potentiellen Ziel von Fanatikern, Mördern oder Verblendeten machte. Was Rushdie tatsächlich schrieb, spielt keine Rolle, er ist zur Symbolfigur der Gedankenfreiheit geworden, das gefährdete sein Leben.
Der PEN-Club protestierte damals lautstark gegen die Fatwa, bis heute ist die Wahrung der Meinungsfreiheit unverhandelbar. Mit Mächten, die den Absolutheitsanspruch ihrer Religion über Menschenleben stellen, ist nicht zu verhandeln. In diesen schweren Stunden sind unsere Gedanken bei Salman Rushdie.
Helmuth A. Niederle
Mahvash Sabet wurde erneut verhaftet
„Und das ist der Platz, an dem ich manchmal stehe,
zum Himmel aufschaue
durch einen schmalen Spalt
zwischen zwei Platten aus rostigem Stahl,
die mich vom bedeckten Himmel trennen.“
Mahvash Sabet, honorary member des Österreichischen PEN, ist erneut verhaftet worden. Die Lyrikerin Sabet zählt zu den führenden Vertreter:innen der im Iran verfolgten Bahá’í -Gemeinde, erst 2017 kam sie nach zehnjähriger Haft frei. In den letzten Wochen hatten die iranischen Behörden die Repressionen gegen die religiöse Minderheit weiter verstärkt. Wohnviertel und Dörfer wurden mit Metallzäunen abgeriegelt, es kam zu Landbeschlagnahmungen, Häuser wurden mit Baggern zerstört. Zahlreiche Personen sind verhaftet worden, das Regime bezeichnet sie als „ausländische Agenten“, denen die „Verbreitung der Lehren des Kolonalismus“ und die Gefährdung der nationalen Sicherheit vorgeworfen wird.
Das Writers-in-Prison-Komitee des Österreichische PEN-Club setzt sich in Kooperation mit anderen PEN-Zentren für die unverzügliche Freilassung von Mahvash Sabet ein. Ihre in Gefangenschaft verfassten Gedichte, „Prison Poems“, wurden 2016 von Helmuth A. Niederle ins Deutsche übersetzt.
Mahvash Sābet: Keine Grenzen. Gedichte aus dem Gefängnis. Band 54. Löcker Verlag, Wien 2016. zu bestellen: lverlag@loecker.at
Writers-in-Prison über Mahsvash Sabet, 2016
Aus gegebenem Anlass
Der Wald steht schwarz und schweiget,
Und aus den Wiesen steiget
Der weiße Nebel wunderbar. (Abendlied, 1777)
Es ist Reisezeit. Das Kofferpacken will wohlüberlegt sein. Was kommt mit, wie wird das Wetter sein, braucht man Platz für Mitbringsel? Was die österreichische Regierung jüngst auf ihren Reisen in die Türkei und Ägypten im diplomatischen Gepäck hatte, war das Übliche, wenn Diktaturen besucht werden. Wirtschaftliche Interessen und geopolitische Strategien, ein paar EU-Millionen und gute Absichten am Rande der Staatsbesuche. Die da lauten, gemeinsam gegen Menschenhandel, Ausbeutung von „irregulären“ Migranten, Schlepperkriminalität und illegale Migration aufzutreten. „Die Achtung der Menschenrechte ist weltweit integraler Bestandteil der österreichischen Außenpolitik“, so Außenminister Schallenberg, daher fehlte auch diesmal in den Presseaussendungen der Stehsatz, „die Menschenrechtslage wurde thematisiert“, nicht. Fertig gepackt!
Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen, meinte der deutsche Dichter Matthias Claudius. Da treten Trophäen zutage, wie der „Beginn eines entspannteren Verhältnisses“ mit dem Kriegsherren Erdogan oder die Kooperation der österreichischen Polizei beim Grenzschutz in Ägypten. Auch politisches Kleingeld für die heimische Berichterstattung klimpert in den Reisetaschen, der Boulevard beschwört die „Gefahr einer Flüchtlingswelle“. „Illegale Migranten“ sind flüchtende Menschen im medialen Sprachgebrauch schon die längste Zeit. Mission beendet.
Das Writers-in-Prison-Komitee setzt sich seit Jahren für die politischen Häftlinge Alaa Abd el-Fattah in Ägypten und Ilhan Çomak in der Türkei ein. Beide sind seit Jahren in Einzelhaft, beide wurden gefoltert. El-Fattah ist Blogger und gilt als Ikone des Arabischen Frühlings, der Kurde Ilhan Çomak ist Autor mehrerer preisgekrönter Gedichtbände, die er in seiner mittlerweile 27 Jahre andauernden Haft verfasste. Die Gerichtsprozesse widersprachen jeglicher Rechtsstaatlichkeit. Der Österreichische PEN-Club setzte sich wiederholt für seine Honorary Members ein, das Außenministerium wurde damit befasst.
Sich für Alaa Abd el-Fattah und Ilhan Çomak einzusetzen, hat die illustre Reisegesellschaft wohl vergessen. Dafür war auch im Handgepäck kein Platz mehr.
Marion Wisinger, Writers-in-Prison-Komitee
https://ilhancomak.wordpress.com
Erscheint im Herbst 2022: Alaa Abd El-Fattah, Ihr seid noch nicht besiegt. Ausgewählte Texte 2011-2021, Wagenbach 2022.